professionell...unabhängig...engagiert
Johann Simon Genten, Aachen
22. August 2016

Von der Grenzen des Steuerberaters im Sozialversicherungsrecht: Arbeitgeber müssen Steuerberater ggf. überwachen

Schon verschiedentlich mussten Steuerberater auf die Grenzen der ihnen erlaubten Rechtsberatung aufmerksam gemacht werden. So sind Steuerberater nicht befugt, im Statusverfahren zu beraten (BSG, Urteil vom 05. März 2014 – B 12 R 7/12 R) Mit deutlichen Worten macht nun auch das Bayerische Landessozialgericht (Urteil vom 05. April 2016 – L 5 KR 392/12 –, juris), auf die Grenzen der Berufspflichten aufmerksam, allerdings in anderem Zusammenhang.
Das Urteil ist als dringende Mahnung an den Arbeitgeber zu verstehen, sich in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten nicht blind auf den Steuerberater zu verlassen. Steuerberater sollten um die Grenzen ihrer Tätigkeit wissen.
Was war geschehen ? Der vom Arbeitgeber beauftragte Steuerberater hatte u.a. Fahrtkosten und Beiträge zu einer Direktversicherung fälschlicherweise (denn diese sind beitragfrei) für die Jahresentgeltgrenze hinzugezogen, die dadurch insgesamt zwar überschritten wurde. Das Problem war aber, dass durch diese Vorgehensweise die über der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Entgelte rechtswidrig nicht verbeitragt wurden, mithin Beiträge in Höhe von 50.864,87 Eur sozusagen hinterzogen worden waren. Das Fatale: Hierzu addierten sich Säumniszuschläge iHv 22.594,50 Eur.
Das LSG hat nun im Leitsatz festgehalten:
„ Arbeitgeber, die ihre Beitragsverantwortung vollständig auf einen Steuerberater übertragen und dessen Handeln unhinterfragt hinnehmen, trifft ein Verschuldensvorwurf iSd § 24 SGB IV.“
Das LSG hat nicht nur die Beitragsnachforderungen bejaht, sondern auch festgestellt, dass die erheblichen Säumniszuschläge zu zahlen waren. Denn zum einen waren die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB IV - Nichtentrichtung zum Fälligkeitstag - erfüllt. Zum anderen konnte der Kläger nicht glaubhaft iSd § 24 Abs. 2 SGB IV machen, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.
Der Maßstab des Verschuldens in § 24 Abs. 2 SGB IV umfasst jede Form des Verschuldens, also auch Fahrlässigkeit (BSG 01.07.2010 - B 13 R 67/09 R).
Im vorliegenden Falle hat der Kläger Teile des Arbeitsentgeltes in zweierlei Weise behandelt. Zum einen hat er sie als Arbeitsentgelt angesehen, das beitragsfrei ist, also beitragsrechtlich keine Berücksichtigung findet, während er es aber für die Jahresentgeltgrenze berücksichtigen hat. Der damit offen zu Tage tretende Wertungswiderspruch für ein und denselben Sachverhalt ist von jedermann mit den Händen zu greifen, so das LSG. Wird bei diesen offenkundigen Wertungswidersprüchen - die zu erfassen die subjektiven Möglichkeiten des akademisch gebildeten Kläger nicht überstiegen haben - nicht eine Klärung durch eine zur Entscheidung zuständige Stelle wie die Einzugsstelle gem. § 28 h Abs. 2 SGB IV eingeholt, folgt daraus zumindest bedingter Vorsatz (vgl. BFH 29. 5. 2008 - VI R 11/07 zur Anrufungsauskunft; BGH 7. 10. 2009 - 1 StR 478/09; BSG, 09. 11. 2011 - B 12 R 18/09 R). Denn wer Kenntnis von einer ungewöhnlichen, mit einem eklatanten Wertungswiderspruch verbundenen Handhabung hat, es aber unterlässt, diese Handhabung rechtssicher abzuklären, zeigt damit, dass er mit der Möglichkeit nicht mit der Gesetzeslage zu vereinbarenden Handelns rechnet und sich damit abgefunden hat.
Dies gilt, so das Gericht vorliegend umso mehr, als mit der Frage der Versicherungs- und Beitragspflicht eine in § 28e SGB IV normierte zentrale Arbeitgeberpflicht betroffen ist. Die hohe Wertigkeit dieser Pflicht belegt die Tatsache, dass deren vorsätzliche Nichteinhaltung bei vorsätzlichem Verhalten nach § 266a Abs. 1, 2 StGB unter Strafe steht.
Diese zentrale Arbeitgeberpflicht darf auf Mitarbeiter oder auf fachkundige Stellen übertragen werden. Dann aber ist dem Arbeitgeber, der diese Aufgaben delegiert hat, ein Verschulden des Beauftragten - hier des beauftragten selbstständigen Steuerberaters - im Rahmen der Wissensvertretung analog § 166 Abs. 1 BGB ebenso zuzurechnen (LSG NRW, 22. 12. 2015 - L 8 R 213/13 B ER, Rn. 61 - zitiert nach juris) wie im Rahmen der Gehilfenverantwortlichkeit analog § 278 BGB. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Kläger behauptet hat, die beitragsrechtliche Bewertung gehe allein auf seinen Steuerberater zurück.
Im Übrigen trifft den Kläger der Vorwurf fehlender beitragsrechtlicher Überwachung des Steuerberaters. Denn nach der Rechtsprechung des BSG bedarf es für die Frage der Versicherungspflicht typischerweise einer besonderen Sachkunde auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts (BSG, 5.3. 2014 - B 12 R 7/12 R, Rn. 19 - zitiert nach juris). Die Kern- und Haupttätigkeit eines Steuerberaters besteht aber in der geschäftsmäßigen "Hilfeleistung in Steuersachen" (vgl § 2, § 3 Nr 1, §§ 32, 33 StBerG). Gemäß § 33 S 1 StBerG haben Steuerberater die "Aufgabe, im Rahmen ihres Auftrags ihre Auftraggeber in Steuersachen zu beraten, sie zu vertreten und ihnen bei der Bearbeitung ihrer Steuerangelegenheiten und bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten Hilfe zu leisten". Die steuerliche Beratung ist danach eine auf dieses spezielle Fachgebiet beschränkte Rechtsberatung. Zwar hat die Beratung in steuerlichen Angelegenheiten häufig Bezugspunkte hin zu außersteuerrechtlichen Regelungen. Dies bedeutet indessen nicht, dass eine Tätigkeit auf außersteuerlichen Rechtsgebieten bereits deshalb dem Berufs- und Tätigkeitsbild eines Steuerberaters zuzuordnen ist, nur weil bestimmte Tatbestände überhaupt für die steuerliche Beratung relevant sind. Das Steuerrecht erfasst eine Vielzahl von Vorgängen, für welche auch Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten bedeutsam sein können. Nähme man schon allein deswegen einen Zusammenhang mit dem Berufs- und Tätigkeitsbild eines Steuerberaters an, wären Steuerberater letztlich annähernd unbeschränkt berechtigt, auf allen Rechtsgebieten berufliche Aktivitäten zu entfalten. Auch kann bei Steuerberatern - anders als bei Rechtsanwälten - nicht von einer umfassenden Eignung in juristischen Belangen ausgegangen werden, die aufgrund erworbener und unter Beweis gestellter Kenntnisse und Fähigkeiten in der spezifischen juristischen Methodik und Arbeitsweise zurückzuführen sind (BSG aaO Rn. 28ff). Daraus folgt Zweifaches: (1) Der Steuerberater, der eine hohe Qualifikation erfordernde sozialrechtliche Einschätzung vornimmt -wie vorliegend die Versicherungsfreiheit - handelt jedenfalls dann gegen jede Sorgfaltspflicht, wenn er bei offen zu Tage tretenden widersprüchlichen Wertungen keine klärende Entscheidung des zuständigen Sozialversicherungsträgers einholt. (2) Arbeitgeber, die es im Falle der Delegation ihrer zentralen beitragsrechtlichen Pflichten auf einen Steuerberater unterlassen, dessen Handlungsweise zu hinterfragen, handeln schuldhaft iSd § 24 Abs. 2 SGB IV.

Der vorliegende Fall dürfte für den Steuerberater teuer werden. Fraglich ist auch, ob seiner Haftpflicht hier einspringt.
Rentenberater sind im Gegensatz zu Steuerberater befugt, auch in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten zu beraten und zu vertreten.