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Johann Simon Genten, Aachen
11. August 2016

Vollwaisenrente auch bei nicht bekanntem Vater bzw. Mutter

In § 48 SGB VI ist geregelt, wer eine Waisenrente erhalten kann.
(1) Kinder haben nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn
1. sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist, und
2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
(2) Kinder haben nach dem Tod eines Elternteils Anspruch auf Vollwaisenrente, wenn
1. sie einen Elternteil nicht mehr haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig war, und
2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 25. Mai 2016 – L 5 R 4225/15 –, juris) hat nun im Leitsatz die schon bestehende Rechtsprechung explizit bestätigt. Elternlosigkeit als Voraussetzung für die Gewährung von Vollwaisenrente statt der Halbwaisenrente (§ 48 Abs. 2 SGB VI) setzt demnach nicht zwingend das Versterben beider Elternteile voraus. Ein nichteheliches Kind, dessen noch lebender Vater oder Mutter nicht bekannt (festgestellt) und auch nicht mit Aussicht auf Erfolg zu ermitteln ist, hat nach dem Tod der Mutter bzw. des Vaters Anspruch auf Vollwaisenrente. Wichtig: Das gilt nicht, wenn der Vater bzw. die Mutter zwar bekannt oder festgestellt waren und nur sein bzw. ihr Aufenthaltsort unbekannt ist. Die zum vorausgegangenen Recht ergangene Rechtsprechung des BSG ist auch für die Auslegung des § 48 Abs. 2 SGB VI maßgeblich (BSG, Urteil vom 23. Juli 1959 – 3 RJ 224/58 –, BSGE 10, 189, SozR Nr 1 zu § 1269 RVO.)

Im vorliegenden Fall hatte die DRV überdies gegen folgende wichtige ubnd immer wieder übersehene Vorschrift verstossen und die Rente rechtswidrig zunächst nicht gewährt:

Als Kinder werden nach Abs. 3 auch berücksichtigt:
1. Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt des Verstorbenen aufgenommen waren,
2. Enkel und Geschwister, die in den Haushalt des Verstorbenen aufgenommen waren oder von ihm überwiegend unterhalten wurden.

Es gibt hier alle möglichen Fälle. Auch z.B. das Versterben einen Großelternteils kann einen Waisenrentenanspruch auslösen, wenn ein Kind überwiegend von ihm unterhalten wurde.