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Johann Simon Genten, Aachen
2. September 2011

Versorgungsausgleich: Abänderungsverfahren sinnvoll oder nicht ?

Wenn eine Ehe geschieden wird, wird sehr oft ein Versorgungsausgleich durchgeführt. Von beiden Ehepartnern werden bestimmte Anwartschaften auf Altersversorgung oder wegen Erwerbsminderung bezogen auf die Ehezeit addiert. Sodann wird ein Ausgleich dergestalt vorgenommen, dass der zahlenmäßig schwächere Partner ggf. einen Ausgleich vom anderen bekommt.
Ein Versorgungsausgleich war und ist im Grunde immer eine Momentaufnahme, d.h. bestehende Ansprüche wurden bzw. werden nach dem jeweils geltendem Rechtsstand und nach den bis dahin erworbenen Anwartschaften berechnet und geteilt. Sehr oft kam oder kommt es aber nach der Scheidung zu Veränderungen, die bei vorliegen der gesetzlicher Voraussetzung dazu führen können, dass einer der Ehepartner ein Abänderungsverfahren in Gang setzen kann. Die Frage ist nur, ob das immer sinnvoll ist.

Ein Beispiel soll die Komplexität veranschaulichen :

Die Ehe von Frau A und Herrn B wurde 1984 geschieden. Herr B war während der Ehezeit von 30 Jahren im öffentlichen Dienst beschäftigt. Frau A war zum Teil berufstätig, aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. 1984 wurde der Versorgungsausgleich berechnet. Zu Lasten von Herrn B. wurden auf das Konto der Frau bei der Rentenversicherung ein Betrag von 500, -Eur übertragen. Bei Frau A wurden jedoch die Kindererziehungszeiten für die erzogenen vier Kinder seinerzeit nicht berücksichtigt, da es damals noch keine Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung gab!

Ein Abänderungsverfahren könnte somit Herrn B begünstigen, da der in der Ehezeit erworbene Rentenanspruch von Frau A nunmehr um dynamische ca. 110,- Euro höher wäre, die zusätzlich aufzuteilen wären.

Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass auch Frau A begünstigt werden könnte, da die seinerzeitige Versorgung von Herrn B bei der VBL, -das ist eine Zusatzversorgung, die zusätzlich zur gesetzlichen Rente gewährt wird-, in eine dynamische gesetzliche Rente umgerechnet wurde, was zu einer erheblichen Benachteiligung von Frau A geführt hat. Mittlerweile bezieht Herr B die Rente der VBL. Der hälftige Ehezeitanteil beträgt aber nun 250,- Eur monatlich, während seinerzeit aufgrund der durchgeführten Berechnung nur ein Rente von 40,- Eur zu Gunsten der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet wurde.

Im vorliegenden Fall wäre somit ein Abänderungsverfahren sinnvoll. Dies würde zu einer Begünstigung der Frau führen. Ob Herr B., der mich um Rat gebeten hat, ein Abänderungsverfahren einletet, bleibt ihm überlassen. Seine Exfrau weiß nicht um ihre Möglichkeiten.
Das ist nur ein Beispiel. Es können sich ganz verschiedene Konstellationen ergeben.
Sehr oft sind auch die Fälle, in denen ein Versorgungsausgleich nur z.T. oder gar nicht durchgeführt wurde, etwa weil dieser dem sogenannten schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten blieb. Hier sind primär Betriebsrenten betroffen.
Der Rentenberater benötigt zur Überprüfung derartiger Angelegenheiten sämtliche im Scheidungsverfahren ergangenen Urteile und Beschlüsse sowie die seinerzeit eingeholten Auskünfte der Versorgungsträger.