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Johann Simon Genten, Aachen
27. Juni 2016

Therapie-Dreirad für ein behindertes Kind zu Lasten der Krankenkasse: Sozialgericht Aachen sagt ja

Der Chronist selbst mußte vor fünf Jahren vor dem Sozialgericht Aachen eine Niederlage hinnehmen, da das SG Aachen seinerzeit die Anschaffung eines  Tandemfahrrades  für ein behindertes Kind  zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ablehnte. Erst im Berufungsverfahren konnte ein Dreirad für das inzwischen herangewachsene Kind vor dem Landessozialgericht durchgesetzt werden.  
Immer wieder machen die Krankenkassen Probleme mit derartigen Hilfsmitteln.
Nun hat die 13. Kammer des SG Aachen (Entscheidungsdatum: 17.11.2015, Aktenzeichen: S 13 KR 7/15) die Leistungspflicht der Krankenversicherung für ein Therapie-Dreirad für ein behindertes Kind bzw. einen behinderten Jugendlichen bejaht.
In der Entscheidung heißt es, dass, wenn das Kind bzw. der Jugendliche mit einem Down-Syndrom bzw. einer Epilepsie mit Hilfe eines Therapie-Dreirades in der Lage sei, selbständig ohne Begleitung Erwachsener zu Freunden zu fahren, dann damit dessen Integration in der Gruppe Gleichaltriger Rechnung getragen und ein  entsprechendes Grundbedürfnis befriedigt würde. Damit sei die Krankenkasse zur Leistung verpflichtet.
Hier die Leitsätze:
1. Nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB 5 haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um u. a. einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.
2. Die Förderung des behinderten Menschen in seiner gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft durch Versorgung mit einem Hilfsmittel fällt nur dann in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich, sondern im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (Anschluss BSG Urteil vom 23. 7. 2002, B 3 KR 3/02 R).
3. Zu den Grundbedürfnissen eines Kindes und eines Jugendlichen gehört auch die Teilnahme an der sonstigen üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger als Bestandteil des sozialen Lernprozesses. Ist das Kind bzw. der Jugendliche mit einem Down-Syndrom bzw. einer Epilepsie mit Hilfe eines Therapie-Dreirades in der Lage, selbständig ohne Begleitung Erwachsener zu Freunden zu fahren, so wird damit dessen Integration in der Gruppe Gleichaltriger Rechnung getragen und dessen Grundbedürfnis befriedigt. Damit ist die Krankenkasse zur Leistung verpflichtet.
Auf Nachfrage sende ich Ihnen gerne das komplette Urteil zu.
Noch ein Hinweis: Gerade mit Krankenkassen gibt es erhebliche Probleme, weil z.T. elementare Vorgaben des Verfahrensrechts mit Füßen getreten werden. Bescheide werden z.B. oft nicht erteilt (stattdessen mündliche Ablehnung) oder nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Wichtig also:  Anträge immer schriftlich stellen und auf Bescheid bestehen.