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Johann Simon Genten, Aachen
19. April 2013

Rentenerhöhung zum 1.7.2013 um 0,25 %

Auch dieses Jahr finden wir landauf landab die Meldung, die „Renten“ würden zum 1.7.2012 erhöht. Dies ist aber eine sehr verkürzte Nachricht! Zum 1. Juli 2013 beträgt der neue aktuelle Rentenwert (in Euro für einen Entgeltpunkt) in den alten Ländern 28,14 Euro. Bisher stand er bei 28,07 Euro. Für die neuen Länder steigt dieser Wert von 24,92 Euro auf 25,74 Euro.   Damit beträgt im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung die Erhöhung für Entgeltpunkte West 0,25% und für Entgeltpunkte Ost 3,3%.
Erhöht wird nur somit der so genannte „aktuelle Rentenwert“. Das ist im Grunde der Wert, den ein Durchschnittsverdiener in einem Jahr an Rente erwirtschaftet.
Es ist richtig, dass dieser Wert nunmehr auf die gesetzlichen Renten in Form einer Erhöhung durchschlägt. Denn jede Rente wird im wesentlichen aus den im Laufe eines Versichertenlebens erworbenen Entgeltpunkten (West oder Ost) und eben dem aktuellen Rentenwert ermittelt.
Nun sind Sie aber noch gar nicht Rentner ? Also betrifft Sie die Erhöhung gar nicht ? Sie sind im Gegenteil, so wie der Presse z.T. zu entnehmen, der gebeutelte Beitragszahler, der in Mallorca überwinternde Rentenscharen durchfüttern muss ?
Nein, so ist es eben nicht! Denn nehmen wir an, Sie sind 50 Jahre alt und haben seit Beginn einer Lehre treu und brav malocht und damit bereits, - sagen wir - 35 Entgeltpunkte erarbeitet. Dann bedeutet das für Sie schlicht und einfach, dass Ihre Anwartschaft durch die vielen Nullrunden der letzten Jahre ebenfalls nicht gestiegen ist und jetzt eben auch um nur 0,25% steigt, jedenfalls für Zeiten der Arbeit im Westen (Entgeltpunkte Ost). 
Quintessenz: Immer, wenn Sie der Presse entnehmen, die Renten würden um so und soviel Prozent steigen oder nicht steigen oder evtl. sogar fallen, sind auch sie betroffen und eben nicht nur die (bösen) Rentner! Die bedenkliche Entwicklung, dass die Renten und Rentenanwartschaften nicht mehr in vollem Maße an der allgemeinen, ja ohnehin dürftigen Lohnentwicklung teilnehmen, belastet alle, Rentner wie Beitragszahler !
Grundlage für die Dynamisierungen ist die allgemeine Lohnentwicklung bzw. differenziert betraachtet die Lohnentwicklung im Westen und im Osten. Lange Jahre war die Brutto-Lohnentwicklung maßgeblich, dann die Netto-Lohnentwicklung. Ginge es nach dieser lange Jahre geltenden Formel, so käme es nun zu einer deutlicheren Rentenerhöhung!  Der Gesetzgeber hat aber seit 1992 immer neue Faktoren in die ursprüngliche Rentenanpassungsformel eingebaut, die eine derartige Steigerung verhindern. Es gibt nunmehr bereits drei dieser „Dämpfungsfaktoren“ (§ 68a SGB VI; § 255a-g SGB VI).
Der erste ist der Riesterfaktor. Mit diesem Faktor wird die "Belastung" der Erwerbstätigen durch verstärkte private Altersvorsorge (Riester-Rente) und die "Belastung" der Erwerbstätigen durch die Beiträge zur Gesetzlichen Rentenversicherung simuliert. Hierdurch werden Rentenerhöhungen gemindert und unterstellt, dass diese so entstehende Versorgungslücke gegenüber dem bisherigen Leistungsziel durch private Altersvorsorge ausgeglichen wird.
Der zweite Faktor ist der „Nachhaltigkeitsfaktor“. Er berücksichtigt die Arbeitsmarktsituation sowie demographische Entwicklung. Kern dieses Faktors ist die Entwicklung des Rentnerquotienten. Dieser setzt die Zahl der ÄquivalenzrentnerInnen mit den ÄquivalenzbeitragszahlernInnen ins Verhältnis. Vereinfacht gesagt: Je mehr Rentner und je weniger Beitragszahler, um so höher ist dieser eine Erhöhung mindernder Faktor.
Als dritten Dämpfungsfaktor ist der Nachholfaktor zu nennen. Dieser Faktor, auch "Schutzklausel" genannt, ist neu geschaffen worden.  U.a. im Jahre 2010  wäre es zu einer Negativanpassung gekommen. Die Renten und Rentenanwartschaften wären gekürzt worden. Die unterlassenen Negativanpassungen werden wegen dieses Faktors in diesem und in den folgenden Jahren nachgeholt.
Der Gesetzgeber verändert diese FAktoren in einem wenig nachvollziehbaren Maße immer wieder. So setzte die Bundesregierung in den Jahren 2008 und 2009 den Riester-Faktor aus. Die Rentenerhöhungen waren deshalb 2008 und 2009 um jeweils 0,65 Prozentpunkte höher. Die ausgesetzten Erhöhungen des Riester-Faktors wurden dann aber bei der Rentenanpassung 2012 und 2013 nachgeholt.
Bisher hat das Bundesverfassungsgericht viele Maßnahmen des Gesetzgebers in Bezug auf die Rentenanpassung abgesegnet. Ob dies immer so bleiben wird, ist angesichts der vielfältigen Eingriffe fraglich. Man spricht hier von einem „additiven Grundrechtseingriff“. Aktuell sind unter AZ 1 BVR 79/09 und 1 BVR 1298/09 Verfahren beim höchsten Gericht anhängig, die u.a. die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Riester-Faktors und des Nachhaltigkeitsfaktors beantworten werden.