professionell...unabhängig...engagiert
Johann Simon Genten, Aachen
5. September 2012

Erwerbsminderungsrente: Sozialgericht Aachen setzt sich über Gutachter hinweg

Im Streit um eine Erwerbsminderungsrente, eine Schwerbehinderung oder eine Rente der Berufsgenossenschaft kommt sozialmedizinischen Fragestellungen entscheidende Bedeutung zu. Behörden und Gerichte holen zur Entscheidungsfindung in der Regel Gutachten ein. Leider ist es oft so, dass das Gereicht sich auf das Votum des Gutachters verläßt und ihm folgt. Der Gutachter hat eine unglaubliche Machtposition ! Eine engagierte Rechtsvertretung hinterfragt gutachterliche Bewertungen und zeigt die Schwächen eines Gutachtens auf. Nur so kann ein gerechtes Ergebnis erzielt werden.
Dass eine derartige Rechtsvertretung von Erfolg gekrönt sein kann, zeigt das Ergebnis eines Sozialgerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Aachen. In der mündlichen Verhandlung konnte ich die 21. Kammer unter Vorsitz des Richters Terstesse , dass das Ergebnis eines internistischen Gutachtens fragwürdig war. Die Klägerin bekam eine Erwerbsminderungsrente zugesprochen.
Es ging um die Bewertung der Erwerbsminderung für eine knappe 45-jährige Frau, die u.a. unter einer fokal segmentalen Glomerulosklerose litt. Diese Erkrankung der Nieren bedingt u.a. die Gabe von hohen Dosen Cortisons und anderen Medikamenten, welche wiederum z.T. erhebliche Nebenwirkungen haben.
Während der Gutachter zum Ergebnis kam, dass noch mindestens 6 h leichte Tätigkeiten verrichtet werden könnte und damit die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente verneinte, konnte ich darlegen, dass ihr dies aufgrund der Schwere der Erkrankung nicht mehr möglich ist.
Die Schwäche des Gutachtens lag unter anderem in einer unvollständigen Anamnese, d.h.  einer unvollständigen Erhebung der Vorgeschichte und der Beschwerden. Darüber hinaus war der Gutachter einfach über die Tatsache hinweggegangen, dass die Krankenversicherung eine Haushaltshilfe von 2-3 Stunden/Tag bewilligt hatte.
Auch die Konfrontation des Gerichtes mit der Frau, die sichtbar an den Folgen eines sogenannten Chushing-Syndroms litt, überzeugte das Gericht.
Erfreulich war auch, dass der Vertreter der Deutschen Rentenversicherung Rheinland gleichfalls nachgab.
Aus meiner Sicht insgesamt eine Sternstunde der Sozialgerichtsbarkeit! Deutlich wurde die richterliche Unabhängigkeit und eben die Tatsache, dass ein Gutachter lediglich Helfer des Gerichts sein kann und nicht mehr.