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Johann Simon Genten, Aachen
20. September 2011

BSG zur Berufskrankheit Chronische obstruktive Bronchitis bzw. Emphysem von Bergleuten unter Tage /Feinstaubjahre

Wer unter einer Berufskrankheit leidet und gegenüber einer Berufsgenossenschaft schon einmal ein Verfahren führen musste, weiß, wie schwer es oft ist, die Berufskrankheit anerkannt zu bekommen. Es werden in der Regel medizinische und arbeitstechnische Voraussetzungen gefordert, die beide gegeben sein müssen. Bei letzteren sind oft Dosiswerte, die eingefordert werden. Bei der BK 4111 werden u.a. "in der Regel 100 Feinstaubjahre"  gefordert. D.h., der Arbeitnehmer muss nachweisen, dass er einer gewissen Staubbelastung ausgesetzt war. Die Berufsgenossenschaften wie auch manches Mal die Gerichte legen dies oft sehr eng aus. Das BSG hat nun einmal mehr ein Machtwort gesprochen:
Bundessozialgericht ( B 2 U 25/10 R):
„Die Revision des Klägers war im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dasselbe Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Begriff "in der Regel 100 Feinstaubjahre" in der Definition der BK Nr 4111 der Anlage 1 zur BKV kann nicht so ausgelegt werden, dass lediglich Werte in einem Schwankungsbereich von 5 vH (also bis zu 95 Feinstaubjahre) zur Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen führen können (Anm: hier 86 Jahre). (...) Eine genaue Bezifferung der stattgefundenen Einwirkungen konnte auch nicht deshalb offen bleiben, weil die Rechtsansicht des LSG unzutreffend ist, dass eine Feinstaubbelastung von 86 Feinstaubjahren grundsätzlich nicht ausreichen könne, den Tatbestand der BK der Nr 4111 zu erfüllen. Der Verordnungsgeber hat ausweislich der Materialien mit der Formulierung "in der Regel" klarstellen wollen, dass er unter Berücksichtigung der (natur-)wissenschaftlichen Erkenntnisse selbst nicht in der Lage ist, eine abschließende Größe im Sinne eines absoluten Grenzwerts zu definieren. Dem Tatbestand der BK Nr 4111 ist damit ein wissenschaftlicher Erfahrungssatz zu Grunde gelegt worden. Die Argumentation des LSG, dass die Nr 4111 der Anlage 1 zur BKV seit ihrer Einführung ab 1.12.1997 in ihrem Wortlaut nicht verändert worden sei und dass auch die Stellungnahme des Ärztlichen Sachverständigenrates vom 1.10.2006 (BArbl 12/2006 S 149) an dem Normtext der Norm nichts geändert habe, verkennt diesen Zusammenhang.
Die Frage, welcher Einwirkungen es mindestens bedarf, um von "in der Regel" 100 Feinstaubjahren ausgehen zu können, ist folglich unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Es ergibt sich mithin im vorliegenden Fall die rechtliche Notwendigkeit, möglichst exakte und aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welcher Feinstaubdosiswert noch unter das Kriterium "in der Regel" subsumiert werden kann. Hierfür kann eine bloß gegriffene Größe – wie ein Abschlag von 5 vH ﷓ nicht genügen.“
Da kann man nur sagen: Bravo !!!!!