professionell...unabhängig...engagiert
Johann Simon Genten, Aachen

Ausgabe April 2010

Liebe Mandanten, Freunde und Partner,
sehr geehrte Damen und Herren,

„bei mir sind alle Zeiten erfasst“ oder „bei mir ist alles in Ordnung“, dies und ähnliches hört man auch als Rentenberater immer wieder. Manch einer versucht, sich die Tücken des Rentenrechtes zu erarbeiten und stößt zwangsläufig auf Grenzen!

Der Gesetzgeber hat in den letzten 2 Jahrzehnten gravierende Änderungen im Rentenrecht vorgenommen.
Wichtige Änderungen auch und gerade bei der Bewertung von Ausbildungszeiten, die bei der Rente immer schlechter bewertet und angerechnet werden. Trotz aller Reformen bekommen berufliche Ausbildungszeiten für einen Zeitraum von 3 Jahren immer noch einen Mindestwert, d.h., sie werden in der Regel mit einem höheren Wert berücksichtigt, als sie eigentlich aufgrund der in der Regel niedrigen Beiträge bekommen würde.
Schul- und Hochschulausbildungen werden dagegen nun gar nicht mehr bewertet.

Aus nur schwerlich nachvollziehbaren Gründen Fachschulzeiten jedoch wohl. Auch sie bekommen einen Mindestwert, auch wenn, - was der Regelfall war-, gar keine Beiträge gezahlt wurden.
Viele dieser Fachschüler waren aber während des Fachschulbesuchs arbeitslos bzw. bezogen Unterhaltgeld. Diese Zeit wurde und wird seitens der Rentenversicherungsträger oft schon als Zeit der Arbeitslosigkeit angerechnet und auch bewertet!
Dennoch forderten die Rentenversicherungsträger von den Menschen für diese Zeiten Erklärungen. Viele beantragten auch einfach die Zeit als Fachschulzeit, ohne zu wissen, dass sie sich damit manches Mal selbst schadeten!

Denn, -und nun kommt die Krux-, der Gesetzgeber hat festgelegt, dass von den verbliebenen 3 Jahren „Gratis-Höherbewertung“ für Berufsausbildung und Fachschule die Fachschulzeiten vorrangig bewertet werden sollen.
Das ist auch in den Fällen sinnvoll, wenn die Zeit nicht schon ohnehin belegt ist und bewertet wird! In den oben skizzierten Fällen, -gar nicht so wenige-, kommt es aber nun zu einer Schlechterstellung.

Beispiel: Herr Peter Pech hat 3 Jahre Lehrzeit absolviert mit der üblicherweise niedrigen Lehrlingsvergütung.
Dann war er arbeitslos, bezog Unterhaltsgeld und besuchte 3 Jahre eine Fachschule. Obwohl die Zeit als Anrechungszeit im Versicherungsverlauf bereits erfasst ist und als Zeit der Arbeitslosigkeit auch bewertet und in Euro entschädigt wird, füllt er treu und brav die Formulare aus und stellt fest, dass nun neben der Zeit der Arbeitslosigkeit auch die Zeit der Fachschulzeit steht.

Was er vermutlich gar nicht sieht und auch nicht merkt ist, dass sein Rentenanspruch nun gesunken ist!
Obwohl die Zeit des Fachschulbesuchs gar nicht bewertet wird, da sie ja bereits als Zeit der Arbeitslosigkeit entschädigt wird, rechnen die Rentenversicherungsträger die Zeit auf die Höchstbewertung von drei Jahren für berufliche Ausbildungszeiten und Fachschulzeiten an.
D.h., die Lehre bekommt im vorliegenden Fall überhaupt keinen Zuschlag mehr!



Da ich diese Rechtsauslegung für mit dem eigentlichen Gesetzeszweck nicht vereinbar halte, habe ich mehrere Verfahren betrieben.
Die Sozialgerichtsbarkeit ist in der Rechtssprechung gespalten.Zwei Kammern des Sozialgerichtes Aachen entschieden gegensätzlich. In einem Verfahren bekam ich Recht (S 24 R 78/08 v. 3.11.2008), in einem anderen nicht (S 6 R 44 /09 v. 26.6.09).
In beiden Fällen erfolgte Berufung, wobei das LSG NRW abschlägig entschieden hat (Az.: L 8 R 95/09) und ich hiergegen in Revision gegangen bin. Das Verfahren vor dem Bundessozialgericht ist unter Aktenzeichen B 13 3/10 R anhängig.

In einem etwas anders gelagerten Fall entschied das LSG Berlin-Potsdam positiv (L 33 R 1221/08). Hiergegen legte die Rentenversicherung Revision ein (B 13 R 79/09 R).

Eine Vielzahl ähnlicher Verfahren ist mittlerweile bei Sozial- und Landessozialgerichten anhängig.
Das Bundesversicherungsamt kritisiert in seinem Bericht von 2009 übrigens nicht die Auslegung der Rentenversicherungsträger, sondern fordert eine gesetzliche Klarstellung.

Nun ist das Thema auch in der Öffentlichkeit angelangt.

Montag 12. April 2010 um 19:20 Uhr im ZDF wird WISO berichten. Beteiligt ist zwar nicht der Chronist, aber dem Vernehmen nach die Kollegen der Rentenberaterkanzlei Vogts aus Karlsruhe.
Markus Vogts ist Präsident des Bundesverbandes der Rentenberater.

Mit herzlichem Gruß

Johann Simon Genten
Rentenberater/Rechtsbeistand